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Hexen

Halloween, Allerheiligen, Samhain. In diesen Tagen begehen wir das Fest der Toten. Es ist eine Zeit des Übergangs und ein Fest, in dem das Mystische, ja sogar Okkulte, mitschwingt, denn in diesen dunklen Nächten sind die Hexen unterwegs. Bösartige Kreaturen, vor denen man sich hüten muss, so wird es immer noch erzählt. Doch stimmt das überhaupt? Ausgelöst durch einen Podcast, eine Hexengeschichte aus dem Dorf und eine selbstgewählte Lebensweise mache ich mich in diesem Text auf die Suche nach der Hexe, die ich gerne von nun an in unseren Geschichten sehen würde. Nach der Hexe, die ich bin.


Silvana Candreia zwischen verdorrten Farnen

Ich bin eine moderne Hexe, wie es so viele Frauen in meinem Leben sind, jede auf ihre eigene Art und Weise. Schon immer habe ich das gespürt. Als Kind braute ich Zaubertränke, probierte Zaubersprüche aus und schnitze Zauberstäbe. Ich verschlang allerhand Bücher, die mit Magie zu tun hatten. Doch mit der Hexe aus dem Märchen konnte ich mich noch nie identifizieren. Diese alte, runzelige, krumme Frau, vor der man sich fürchten muss, weil sie böse ist, machte mir Angst - was ja auch ihre Aufgabe ist - und das Kind, das ich war, konnte die Magie, die ich in mir und meinen Fantasiewelten spürte, nicht mit der bösartigen dieser Frauen in Verbindung bringen. Ausserdem gibt es Magie doch gar nicht, schrie es mich von allen Seiten unserer Gesellschaft an, worauf ich, wie die meisten von uns, den Glauben daran für eine Weile verlor. Doch mit der Rückkehr zur Natur, mit der Verbindung mit mir selbst und dem Universum und all den Praktiken, die ich über die Jahre gelernt habe, kehrte auch meine Zauberkraft wieder zurück, wie diejenige meiner Freundinnen auch.

Unsere Magie unterscheidet sich von der der Hexen aus dem Märchen, die in diesen Nächten ihr Unheil treiben sollen. Mein Hexenwerk will nichts böses und dasjenige meiner Freundinnen auch nicht. Magie in unserem Leben ist, wenn man gewissen Handlungen eine bestimmte Absicht gibt, wenn man sich mit sich selbst und der Natur verbindet. Und so braue ich auch heute noch Zaubertränke in Form von Elixieren und Tinkturen, die mich auf körperlicher und emotionaler Ebene unterstützen. Ich benutze täglich meine Zaubersprüche, indem ich Mantras und Affirmationen aufsage und ich stelle immer noch Zauberstäbe her, die heute jedoch anders aussehen. Dies können kleine Dankesbündel sein, die ich dem Bach hinlege, oder Naturmaterial, das meine Hände zu einem Mandala formen, mit dem ich mich mit der Natur verbinde. Oftmals sind es auch einfach meine Hände, die den Zauber ausführen, indem ich diese auf eine schmerzende Stelle an meinem Körper lege oder mich durch sie mit einem Baum, einer Blume, einem Stein verbinde.

Doch in diesem heutigen Post geht es nicht nur um meine eigene Praxis, sondern etwas anderes möchte noch erforscht werden. Etwas, das immer wieder bei mir anklopft, seit ich die Podcast-Serie "witch" von der BBC gehört habe: Die Hexe in unserer Gesellschaft, die nach wie vor ein ganz bestimmtes Bild von Frau verkörpert.



Ich lebe in einem Dorf, in dem man sich immer noch die Geschichte der "narra dalla fava", übersetzt "die Verrückte der Bohnen" erzählt. Diese Hexe soll in einer Höhle unterhalb des Dorfes wohnen und alle Kinder bestrafen, die den Menschen ungefragt die Bohnen aus den Gärten stibitzen. Diese Höhle gibt es tatsächlich. Sie liegt an einem steilen Hang, oberhalb des Baches und je nach dem, wen man im Dorf fragt, soll die Energie dort sehr dunkel sein. So käme es immer wieder vor, dass die Tiere, die dort auf der Wiese weiden, verunfallen, viel öfter als an anderen steilen Orten.

La narra dalla fava

Ich bin mit dieser Hexe aufgewachsen, denn ein Bild von ihr, gemalt von einem Künstler aus dem Tal, hing jahrelang im Büro meines Vaters. Die Frau darauf sitzt gebückt da, ihre Nase krumm, ihre Haut faltig und ihr gesamtes Erscheinen angsteinflössend. Eine Katze sitzt auf ihrem Kopf und ein Rabe hockt auf einem Balken über ihr. Eine Hexe wie aus dem Märchen und eine der man nicht unbedingt begegnen will.

Doch ich frage mich: Was wenn es diese Frau tatsächlich gegeben hat? Ging die Geschichte wirklich so, wie man sie sich auch heute noch erzählt? War diese Frau nicht eher ein geeigneter Sündenbock, um den Kindern Angst zu machen und davor zu warnen, diese Höhle aufzusuchen, weil sie tatsächlich an einem gefährlichen Hang liegt? Es scheint mir einfach zu sein, einer Frau, die nicht den Erwartungen der Gesellschaft entspricht, all diese Dinge anzuhängen. Es scheint mir einfach zu sein, die Schublade der crazy cat lady, der verrückten Katzenfrau, zu öffnen, wenn eine Frau kinderfrei, doch mit Katzen lebt. Und es scheint mir einfach zu sein, jemanden als komisch, oder in unserem Beispiel eben als Hexe, abzustempeln, wenn er oder sie für sich entschieden hat, etwas anders zu leben als die Mehrheit. Und dennoch verwundert es mich, dass dieses Bild der Hexe so hartnäckig in unserem Kulturgut verankert bleibt. Man könnte meinen, wir hätten etwas von den Hexenverfolgungen gelernt...


Ich versuche diese Frau aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was wenn sie eigentlich gar nicht griesgrämig ist, sondern einfach anders lebt, als es die Gesellschaft von einer Frau in einem gewissen Alter erwartet? Was wenn sie zwar eine ältere, alleinstehende Frau ist, die aber glücklich ist mit ihrem Leben? Eine Frau, die gefüllte Jahre hinter sich, ihre Freiheit genossen und ihr Ding gemacht hat. Und nun verbringt sie ihren Lebensabend alleine in diesem Dorf, hat eine Katze und einen Garten. Und ja, manchmal besucht sie ein freundlicher Rabe. Sie ist witzig und ein klein wenig frech. Vielleicht hat sie Hühner, wie die 90-jährige, die ein paar Häuser über mir wohnt und ihre Tiere frei im Dorf herumlaufen lässt. Zwar mag die Hexe aus dieser neuen Geschichte es nicht, wenn man ihr ungefragt die Bohnen stiehlt, doch sie schenkt auch immer wieder gerne den Vorbeilaufenden ihr überschüssiges Gemüse, wie so viele Menschen mit Garten hier im Dorf. Sie ist grosszügig und immer für einen Schwatz zu haben.

Eine solche Frau könnte auch ich einmal sein. Und weisst du was? Dieses neue Bild gefällt mir! Lass uns die Hexe zu etwas Positivem machen, zum Sinnbild für eine unabhängige, selbstbestimmte, glückliche Frau. Damit Frauen wie ich, Frauen wie meine Freundinnen, sich stolz wieder Hexe nennen können.


Für mich ist eine Hexe eine Frau, die in der Lage ist, ihr Handeln von ihrer Intuition leiten zu lassen, die mit ihrer Umwelt kommuniziert und die keine Angst hat, sich Herausforderungen zu stellen.

Paulo Coelho

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Ich bin auch Yoga Lehrerin und führe Rituale und Retreats in der Natur durch. Vielleicht sehen wir uns mal auf der Matte?

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