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Loslassen und ankommen

Ich schnalle meine Schneeschuhe an und mache die ersten Schritte. Es geht bergauf. Was sonst? Ich lebe ja nun in den Bergen!

Ich hasse es, ich hasse es, ich hasse es.

Anhalten, Luft holen. Ein paar Schritte weiter.

Ich hasse es, ich hasse es, ich hasse es.

Wieder anhalten, tief durchatmen.

Ich hasse es, ich hasse es, ich hasse es.

Der vorläufig letzte Schritt. Erstes Etappenziel erreicht.

Ich drehe mich um und lache laut auf. Das Bild, das sich mir zeigt, ist beinahe lächerlich schön. Der Himmel ist tiefblau, wie er nur in den Bergen blau sein kann. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und bringt mich zum Schwitzen. Vor mir erstreckt sich das verschneite Tal mit seinen unzähligen Tannen und weissen Berggipfeln. Nur von Weitem erahne ich das leise Summen der Strasse, die durchs Tal führt. Die weisse Schneedecke ist gemustert von Hasenspuren und nun ziehen sich auch meine Schneeschuh-Stapfen in einer Zickzack-Linie bergwärts. Ich liebe es, ich liebe es, ich liebe es.


Die atemberaubende Sicht von oberhalb des Dorfes.

Auch wenn ich das Laufen an sich nicht sonderlich mag, so ist es doch unausweichlich, denn es beschert mir diese wundervollen Momente von Glückseligkeit. Das "Ich hasse es"-Mantra ist sicherlich nicht mein Lieblingsmantra, dennoch lässt es meinem Kopf keinen Platz für andere Gedanken. Es ist meditativ und ich hege die Hoffnung, dass sich mein innerer Monolog ändern wird, wenn ich es nur oft genug tue.


Eine meiner Vorsätze fürs neue Jahr ist jeden Tag draussen zu sein und frische Luft zu atmen. Die perfekten Voraussetzungen habe ich ja nun, da ich in den Alpen wohne. Doch in meinen ersten Tagen hier in Stierva möchte ich am liebsten nur auf dem Sofa liegen und Netflix schauen. Ich bin erschöpft. Dass der Umzug anstrengend werden würde, wusste ich, aber den emotionalen Aspekt habe ich völlig unterschätzt. Jedes Ding, das ich in den letzten Wochen in Kisten gepackt habe, hat auch in mir etwas ausgelöst. Alles, was ich verschenkt, gespendet oder weggeworfen habe, musste erst von mir losgelassen werden. Meine Wohnung war zwar schon seit Längerem nicht mehr wirklich mein, trotzdem fiel es mir zuletzt dann doch noch schwer, die Tür hinter den leeren Räumen zu schliessen. So viele Erinnerungen, die von nun an nur noch von Fotos oder mentalen Bildern heraufbeschworen werden können.

Von einem Gedanken im Besonderen wurde ich während dieser Zeit überrascht: Ich mache das alles alleine.

Versteh mich nicht falsch, natürlich bin ich nicht alleine umgezogen! Ich hatte grossartige Unterstützung von meiner Familie und meinen Freunden. Ob beim Organisieren, Fahren, Kisten Schleppen, Einräumen oder beim emotionalem Support, mir wurde geholfen und dafür bin ich so wahnsinnig dankbar. Keine Ahnung wie ich mich jemals dafür Revanchieren kann!

Was ich meine ist, dass ich, als dieser Traum, den ich jetzt lebe, vor einigen Jahren anfing Form anzunehmen, immer dachte, dass ich diesen Schritt niemals als Single machen würde, sondern dass ich dafür in einer Beziehung sein müsste. Dass ich die Unterstützung eines anderen Menschen bräuchte, weil ich niemals alleine aufs Land ziehen könnte. Und ganz ehrlich, während ich in meiner Wohnung zwischen den Kisten hockte, habe ich mir einige Male gewünscht, ich könnte das alles mit jemandem teilen und gewisse Entscheidungen nicht alleine treffen zu müssen. Doch ich habe es alleine getan. Und ich bin stolz auf mich, denn ich habe mich selbst mit diesem Schritt wahnsinnig glücklich gemacht.


Ach ja, fast hätte ich es vergessen (haha, als ob ich diesen Tag jemals vergessen könnte): Ich bin natürlich an dem Wochenende umgezogen, an dem die Schweiz im Schnee versank. Die Buchung für den Umzugs-Van wurde deswegen vom Unternehmen storniert und auf meinem reservierten Parkplatz stand bereits jemand, na klar. Aber das ist eine andere Geschichte. Schlussendlich ist ja alles gut gegangen und ich bin ins Frevlerhaus meiner Vorfahren gezogen. Jetzt ist erstmal Ankommen angesagt. =)


Blick aus meinem Schlafzimmerfenster an meinem ersten Morgen im Frevlerhaus.

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