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Die Karte des Lebens

Beim Schreiben dieser Zeilen fallen Schneeflocken vom Himmel und hüllen unser Dorf (nicht zum ersten Mal in dieser Saison) in eine weisse, frostige Decke. Der Kreis schliesst sich. Ich bin letzten Winter hier angekommen und habe nun alle Jahreszeiten einmal erlebt. Was jetzt kommt, ist nicht mehr neu, aber nicht minder aufregend.

Vor einem Jahr habe ich mich auf die Reise gemacht und den ersten Beitrag auf meinem kleinen Blog veröffentlicht. Ich hatte damals keine Ahnung, wohin mich "crappa e plema" führen würde, ich wusste einfach, dass ich meine Geschichte, Geschichten aus meinem Leben, erzählen und teilen wollte. Dass ich mich kreativ austoben und auch finden musste und dass ich das Schreiben schon immer mochte. So habe ich mich auf den Weg gemacht und bin es immer noch. Ich weiss immer noch nicht, wohin er führt und was die Steine und Federn meines Lebens mir noch bringen, doch dass ich hier landen würde, wusste ich damals noch nicht. Damit meine ich nicht nur den Ort - obschon ich damals auch noch nicht wirklich wusste, dass ich bald in die Berge ziehen würde -, sondern eben auch den jetzigen Punkt auf der Karte meines Lebens.



Ich habe meinen Job als Lehrerin gekündigt mit dem Gedanken, meinen Leidenschaften mehr Raum und Zeit zu geben und mal zu schauen, was sich daraus entwickeln könnte. Ich gab mir ein Jahr. Ein Jahr, indem ich Zeit haben würde, meinen neuen Beruf zu finden. (Ist es nicht merkwürdig, wie sehr wir uns mit unserem Job identifizieren? Dabei sind die meisten Menschen doch ziemlich unglücklich damit und leben nur für das Wochenende und die Ferien. Das macht mich stutzig und ehrlich gesagt auch ein wenig traurig. Aber ich schweife ab...) Ich habe in diesem Jahr nicht den EINEN Beruf gefunden, sondern ganz viel, was ich machen möchte, weshalb ich jeweils auch nicht wirklich weiss, was ich auf die Frage nach meiner Tätigkeit antworten soll. Was ich aber weiss, ist, dass ich in diesem Jahr gelernt habe zu vertrauen und jeweils den Weg einzuschlagen, der mein Herz höher schlagen lässt. Ich habe mir einige Träume erfüllt und "crappa e plema" ist definitiv auch einer davon. In diesem Jahr bin ich auf den Geschmack der Selbstständigkeit gekommen. Für mich bedeutet es Freiheit, dass ich meinen Tag selbst einteilen kann, mich jeden Monat wieder neuen Projekten widmen darf und dass ich oftmals nicht weiss, was in ein paar Wochen sein wird oder was ich dann machen werde. Niemals hätte ich gedacht, dass ich dieses Leben tatsächlich geniessen würde. Der Traum war schon lange da, aber die Angst viel grösser.


Manchmal stelle ich mir vor, mit meinem zwanzigjährigen Ich zu sprechen. Was würde sie über ihre dreissigjährige Version denken? Ich glaube, sie würde mich für verrückt halten, denn sie war voller Zweifel, doch insgeheim hoffte sie schon damals, einmal ein wenig auszubrechen. Vielleicht würde sie das alles auch für einen Witz halten, da sie sich selbst niemals als eine Abenteurerin ansah, doch insgeheim wünschte sie sich, dass sie den Mut aufbringen würde ihr Leben so zu leben, wie sie es wollte. Vielleicht würde sie mir mit Erstaunen zuhören, da sie bereits von einem solchen Leben träumte und insgeheim schon wusste, ganz tief in ihrem Inneren, dass sie es einmal tun würde.

Ich erzähle meinem zwanzigjährigen Ich dann jeweils, wie ihr Leben in zehn Jahren aussehen wird und dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Dass sie gross träumen und wirklich auch daran glauben darf, dass sie sich selbst ihre kühnsten Visionen erfüllen kann. Dass ich ohne sie nicht hier wäre. Denn "crappa e plema" und alles was daraus entstanden ist, war bereits als kleiner Samen in der zwanzigjährigen Silvana vorhanden. Natürlich hat sie es sich ganz anders ausgemalt, aber der Kern war der gleiche: Frei sein und das tun, was ich liebe.

Mich gedanklich mit einer vergangenen Version von mir auszutauschen tut so gut und ist für mich jeweils sehr heilsam. Es lässt mich ausserdem vermuten, dass meine vierzigjährige Version auch ständig mit mir reden will und dass sie mich ermutigt, weiterhin meinen Weg zu gehen, damit ich dann in zehn Jahren an dem Punkt auf der Karte meines Leben ankomme, von dem aus sie mich besucht.


Ich habe in diesem Jahr das Leben neu entdeckt. Nach einer wirklich schwierigen und dunklen Zeit fühlt es sich für mich an, als ob ich in diesem Jahr endlich wieder tief durchatmen und meine Lungen wortwörtlich mit der frischesten Bergluft füllen konnte. Jeder Tag ist anders und ich freue mich täglich auf all das, was sie bringen werden, auf all das, was ich noch nicht weiss und noch gar nicht wissen muss. Ich bin mir sicher, dass mein zukünftiges Ich mir über die Schultern schaut und insgeheim darüber schmunzelt, wie weit ich doch schon gekommen bin.


 

Das Video hat zwar nicht direkt mit dem Text zu tun, aber ich nehme dich darin sehr gerne mit in einen goldenen Herbstwald, auf ein Bad im eisigen Bergbach und lasse dir schon mal eine Vorschau da, wie die Bilder der nächsten Wintermonate ausschauen werden. =)

Wie immer gibt es zum Video auch deutsche Untertitel. Viel Spass!



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Ich bin auch Yoga Lehrerin und führe Rituale und Retreats in der Natur durch. Vielleicht sehen wir uns mal auf der Matte?

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