Zuerst einmal: danke, danke, danke für die wunderbaren Reaktionen, die ich zur "Geburt" meines Blogs bekommen habe! Alle Kommentare und persönlichen Nachrichten haben mich zutiefst berührt und mich nochmals darin bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich bin so unglaublich dankbar, Menschen in meinem Leben zu haben, die mit mir wachsen und mich auf meinem neuen Abschnitt begleiten, obwohl ich dann nicht mehr gleich um die Ecke wohne. =)
Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass man manchmal aus seinem Leben herauswächst wie aus einem alten Paar Schuhe. Es können die schönsten Schuhe sein, doch wenn sie nicht mehr passen, muss man sie ablegen, auch wenn das heisst, sich von etwas zu trennen, das man sehr gemocht hat. Dieses Bild trifft meine momentane Gefühlsverfassung auf den Punkt. Für mich fühlt es sich ausserdem so an, als ob ich mich gehäutet hätte. Wie eine Schlange bin ich aus einer Haut herausgewachsen, die einfach nicht mehr passt. Ich habe eine Schicht von mir abgelegt, die mich scheinbar auch von gewissen Reizen geschützt hat, die nun ungefiltert auf mich einprasseln. Denn während ich diese Zeilen schreibe, dringt der ohrenbetäubende Lärm eines Presslufthammers durch mein Wohnzimmerfenster; draussen im Gang höre ich fremde Menschen miteinander sprechen, gerade so als ob sie bei mir in der Wohnung stünden; der Geruch meines kiffenden Nachbarn steigt mir durch das Badezimmerfenster in die Nase; das flackernde Licht des immer laufenden Fernsehers in der Wohnung gegenüber wirft Muster an meine Wand und ein vorbeifahrender Zug lässt mein Geschirr in der Küche erzittern.
Das alles sind keine neuen Phänomene, damit lebe ich seit mehr als fünf Jahren und wie ich in meinem vorherigen Beitrag bereits geschrieben habe, hat mich das lange auch nicht gestört. Doch nun da der Entschluss gefasst und der Umzug in die Wege geleitet ist, kann ich es kaum erwarten, mich in die Stille Stiervas zu legen. In Gedanken richte ich bereits unser altes Häuschen neu ein, überlege mir, welchen Pflanzen ich die eher dunklen Räume zumuten kann und sehe mich in meinen Winterklamotten durch den verschneiten Wald springen.
Doch nebst der grossen Vorfreude, die ich beim Gedanken an meinen neuen Ort empfinde, meldet sich auch immer wieder ein anderes Stimmchen. Es piekst mich in die Seiten und lässt mein Herz ein wenig schwerer werden: Denn wenn ich die Augen schliesse, kann ich uns immer noch in meiner Küche kochen sehen. Auf dem Boden neben der Toilette klebt immer noch ein Glitzerpartikel fest, den du dort verloren hast, nachdem du an der Fasnacht warst und noch kurz bei mir vorbeischautest. Jetzt im Spätherbst kann ich wieder meine Heizungskörper rumoren hören, die dich beim Probeschlafen dazu veranlasst haben, zu mir ins Bett zu kriechen, weil du bei dem Lärm nicht schlafen konntest. Und ich kann nach wie vor nicht allzu lange in meinem Gang stehen ohne den schrecklichen Moment in Erinnerung zu rufen, in welchem ich von deinem Tod erfahren habe.
Ich habe in dieser Wohnung so viele Tränen geweint und sie hat mich in diesen schweren Momenten tröstend eingehüllt mit all den Erinnerungen an dich. Mein Umzug bedeutet auch dieses wohlige Nest hinter mir zu lassen und es tut weh zu erkennen, dass ich daraus herausgewachsen bin und ein Stück von unserer gemeinsam Geschichte hinter mir lasse. Es bedeutet auch, dass es hier in dieser Stadt keine Wohnung mehr geben wird, in der wir zusammen Erinnerungen geschaffen haben. Und es bedeutet auch, dass ich etwas loslasse, wovon ich nicht weiss, ob ich jemals bereit dazu sein werde.
Nun kehre ich aber an einen Ort zurück, an dem wir auch ein Stückchen unserer Geschichte geschrieben haben: An einem Neujahrsabend standen wir am Zaun neben dem Haus in Stierva, nur wir zwei, und haben in den klaren Sternenhimmel geschaut.
Ich bin so dankbar, dass du diesen Ort noch kennenlernen durftest und kann mich gut daran erinnern, wie sehr du noch Wochen danach davon geschwärmt hast. Und so weiss ich, dass ich einem Teil von dir, liebste Aline, auch in diesem Haus begegnen werde.
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