Die folgenden Passagen sind Bruchstücke aus meiner Erinnerung an eine schwierige Zeit. Gedanken, die ich mir in der letzten Woche anlässlich des zweiten Todestages einer meiner besten Freundinnen gemacht habe.
Wenn der Winter dem Frühling weicht und die Knospen an den Magnolienbäumen bereit sind zu blühen, hat sich die Erde einmal mehr um die Sonne gedreht.
Ohne dich...
Kennst du sie?
Die Macht der Worte?
Einmal geäussert bleibt nichts mehr, wie es war.
Es waren drei, gesprochen vor zwei Jahren, die mein Leben schlagartig veränderten.
Als dein Herz aufhörte zu schlagen, endete auch mein Leben, wie ich es bisher kannte. Es fühlte sich an, als ob ein Teil von mir mit dir gestorben wäre. Und tatsächlich erkenne ich mich fast nicht mehr wieder, wenn ich Fotos von damals sehe.
Die ersten Wochen und Monate lebte ich wie in einer zähflüssigen Zuckermasse. Nur dass nichts davon süss war. Jeder Schritt, jede Bewegung, jeder Atemzug, jeder Gedanke war einfach nur schwer. Deine letzte Nachricht hören, in deiner Wohnung sein ohne dich, deine Briefe lesen, an deinem Grab stehen...
Und gleichzeitig war es, als ob mir mein Leben zeigen wollte, dass ich im Gegensatz zu dir sehr wohl noch lebte. Alles war intensiv, an jedem Tag lebte ich den Inhalt von mehreren. Ich hatte Angst, dass ich diese Zeit einmal vergessen würde, schoss verwackelte Fotos, schrieb alles auf. Hatte Angst, dass ich dich vergessen würde. Damals wusste ich noch nicht, dass sich alles unwiderruflich in mein Gehirn eingebrannt hat und dass eine Zeit kommen würde, in der ich wünschte, ich könnte tatsächlich vergessen.
Ich kann noch nicht genau erzählen, was in diesem allerersten Moment in mir vorging. Die Worte sind zwar da, aber sie wiegen immer noch so schwer und vermögen nach wie vor mich in den Strudel dieser ersten Traurigkeit zu ziehen.
Aber es gibt noch andere, nicht laut ausgesprochene, von einem Ort tief in meinem Innern kommende Worte, die die Anfänglichen begleiteten. Wie ein Sonnenstrahl an einem grauen Tag leiten sie mich seither und dank ihnen habe ich immer wieder aus den tiefsten Tälern gefunden.
"Das wird dich so stark machen!", hörte ich eine Stimme in mir sagen, nachdem auch ich für einen kurzen Moment meinen Körper verlassen hatte.
Seitdem hat sich vieles geändert, aber die Tage, an welchen sich dein Tod zum zweiten Mal jährt, sind, wie schon in den zwei Jahren zuvor, frühlingshaft warm. Das Leben ist immer noch intensiv, doch hat sich die Intensität auf einem Niveau eingependelt, das ich energetisch auch aufrecht erhalten kann. Meine Wertschätzung fürs Leben ist unglaublich gewachsen, denn es hätte auch mein Herz sein können, dass damals einfach aufhörte zu schlagen, ohne Grund. Mit meinem Leitsatz im Hinterkopf habe ich angefangen meine Träume zu verwirklichen. Angefangen mit meiner Reise zu den Schildkröten in Griechenland im folgenden Sommer. Ein Traum, den ich seit acht Jahren gehegt und eigentlich schon beiseite gelegt hatte. Auf zauberhafte Weise durfte ich dort die erste Heilung erfahren und einen Menschen kennenlernen, der mein Leben veränderte und es nach wie vor tut. Ich habe endlich den Mut gefasst, meinen sicheren Job zu verlassen, um mich künstlerisch entfalten zu können. Etwas, wovon ich eigentlich schon als Kind geträumt hatte. Die Beziehungen zu den Menschen in meinem Umfeld sind wunderschön gewachsen und beglücken mich täglich. Und das Ganze hat mich hierher gebracht. Ins Haus meiner Vorfahren, in die Natur und hat mir damit etwas erfüllt, wovon ich lange gar nicht wusste, dass ich es ganz fest wollte.
Eine tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, wenn ich an diese letzten zwei Jahre denke. Und auch wenn ich mir natürlich wünschte, dass ich diese Dringlichkeit, meine Träume nicht mehr länger aufzuschieben, auch ohne deinen Tod verspürt hätte und auch wenn ich mir natürlich wünschte, dass du noch am Leben wärst und ich all das mit dir bei einer Tasse Tee bereden könnte, so weiss ich doch, dass du noch da bist. Ich erkenne dich, in den Wellen, die mich schaukeln; in einer Melodie, die mir plötzlich einfällt oder einem Lied, das leise an mein Ohr dringt. Du bist die Federn auf dem Weg, die Schmetterlinge im Februar und der Sonnenstrahl, der durch die Wolken bricht.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich weiss nicht, ob dieser Text für dich Sinn macht, aber ich danke dir, wenn du ihn trotzdem gelesen hast. Manchmal wollen Worte geschrieben werden, auch wenn sie nicht vollkommen schlüssig sind. Was ich weiss, ist, dass ich damals solche Worte von Menschen, die Ähnliches erlebt hatten, aufsog, weil sie meinen Schmerz ein wenig lindern konnten und ich sah, dass ich nicht alleine war. Vielleicht erkennt sich jemand wieder in meinen Worten und wenn du das Bedürfnis hast, etwas von deiner Geschichte zu teilen, darfst du mir gerne schreiben.
Alles Liebe,
Silvana