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Eine Adventsgeschichte {Teil 3}

Ein modernes Wintermärchen für Erwachsene und Kinder.

Lies den ersten Teil hier und den zweiten Teil hier nach.

Höre dazu den Song zu diesem Teil der Geschichte: enchanted.


Mina und der wunderbare Winterwald, eine moderne Adventsgeschichte.

Der Wald ist nun vollkommen mit Schnee bedeckt, der im warmen Licht der Sonne glitzert. Schneeflocken schweben an Mina vorbei, doch sie fallen nicht nur vom Himmel, sondern nehmen allerhand Richtungen ein. Im Dickicht des Waldes kann Mina ein paar Rehe ausmachen, die nun ihren Kopf heben und sie freundlich anblicken. Die Vögel, die sich sonst auf sicherer Distanz zu ihr bewegen, hüpfen ein paar Äste weiter nach unten und schauen sie erwartungsvoll an. Die alte Eiche scheint um ein Vielfaches grösser geworden zu sein und dort, wo Mina noch vor wenigen Minuten am Stamm gesessen hat, haben die Wurzeln einen Eingang geformt. Aber am meisten verwundert Mina das Licht. Es ist so anders als alles, was sie kennt. Hell und warm, goldig und silbrig zugleich. Es malt den Schnee mit allen Farben des Regenbogens an. Alles sieht aus wie in einer Schneekugel oder einem dieser kitschigen Adventskalender, die mit Glitzer vollgeklebt sind, nur hundert Mal schöner, geht es Mina durch den Kopf. Wieder beginnt sie sich im Kreis zu drehen, doch dieses Mal ganz langsam. Sie schaut sich um und kann gar nicht fassen, wie schön der Wald gerade ist. Das muss ja ein hefitger Schneesturm gewesen sein, denkt sie, ich sollte wohl zusehen, dass ich nach Hause komme, bevor es dunkel und mir zu kalt wird. Doch merkwürdigerweise ist ihr überhaupt nicht kalt, im Gegenteil scheint sie das besondere Licht nicht nur von aussen, sondern auch von innen zu wärmen. Eines der Rotkehlchen, die auf den Ästen der Eiche sitzen und Mina neugierig beobachten, breitet seine Flügel aus, stösst sich vom Ast ab und landet dann sanft auf Minas linker Schulter. Mina kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das kann doch nicht sein! Sie wagt es kaum zu atmen, doch das Rotkehlchen scheint sich nicht weiter an ihr zu stören. Es beginnt seine Federn zu putzen und steckt dann sein Köpfchen unter einen seiner Flügel.


Plötzlich kommt Bewegung in den Wald, wie wenn Minas Rotkehlchen ein Kommando gegeben hat. Wo gerade noch alle Waldtiere still dagestanden und zu Mina geschaut haben, gehen nun alle wieder ihrem gewohnten Treiben nach. Die Rehe senken ihre Köpfe und schnuppern mit ihren Nasen nach etwas Essbarem. Die Vögel zwitschern einander zu und die Eichhörnchen beginnen wieder nach ihren Nüssen zu graben. Nur das Rotkehlchen schläft nach wie vor auf Minas Schulter, die sich kaum zu bewegen traut. Wieder spürt Mina das bekannte kalte Kitzeln einer Schneeflocke auf ihrer Nase und sie glaubt ihren Augen kaum, als sie sieht, dass jede der Schneeflocken, die an ihr vorbeischweben, ein Gesicht hat. Allesamt lächeln sie Mina an, doch auch sie machen keine Anstalten mehr stehen zu bleiben. Mina schaut sich weiter so ruhig wie möglich um. Nicht nur haben die Schneeflocken ein freundliches Gesicht, sie sehen aus wie kleine Feen, die in Eiskristalle gekleidet sind. Jede sieht anders aus, einzigartig und wunderschön. Mina kann sich kaum an ihnen sattsehen. Manche fallen wie gewöhnliche Flocken vom Himmel, andere schweben horizontal zum Boden und wieder andere scheinen auf dem Boden zu stehen und sich dann mit einem kleinen Hüpfer in die Luft zu begeben. Ein paar besonders neugierige Exemplare kommen nahe an Mina heran. Sie setzen sich sogar kurz auf sie und hinterlassen ihre bezaubernde Glitzerspur. Mina spürt, dass jede der Stellen, die von den Schneeflockenfeen berührt wurden, von einer sanften, gemütlichen Ruhe erfasst werden. Es fühlt sich gut an und wenn sie nicht immer noch so erstaunt gewesen wäre, hätte sie sich wohl hingelegt und sich von den Schneeflocken in den Schlaf streicheln lassen.


Doch stattdessen beginnt Mina ein wenig nervös zu werden, nicht wissend, was hier mit ihr und dem Wald geschehen ist. Sie erinnert sich, dass sie bereits im Sommer vor einem Jahr eine solche seltsame Begegnung hatte in diesem Wald. Damals war sie in einem Moment der Verzweiflung beim Bach gelandet, der voll mit Wassernymphen und anderen merkwürdigen Gestalten gewesen war. Und obwohl es ein schönes und wichtiges Erlebnis in Minas Leben war, hatte sie es wieder vergessen. Doch nun da sie schon wieder von Fabelwesen umringt ist, beginnt Mina an ihrem Gesundheitszustand zu zweifeln. Ihre Fantasie ist zu lebendig für ihren Geschmack und sie spürt die Angst in sich aufsteigen. Ich muss hier weg, ich muss aus diesem Tagtraum aufwachen!, denkt sie. Da wird sie von einem kurzen, aber doch heftigen Schmerz an ihrem linken Ohr aus ihren Gedanken geholt. Das Rotkehlchen hat sie wohl ins Ohr gezwickt. Es schaut sie ernst und vorwurfsvoll an. Einen Moment scheint es zu überlegen, doch dann flattert es auf, schwebt einen kurzen Augenblick vor Minas Gesicht und fliegt anschliessend auf die Eiche zu. Kurz vor dem Wurzeltor am Fusse des Baumes dreht es sich um, fliegt wieder auf Mina zu und wendet abermals kurz vor ihrem Gesicht, nur um nochmals aufs Wurzeltor zuzusteuern. Dort hockt es sich vor den Eingang und dreht sein Köpfchen zu Mina. Diese glaubt zu verstehen, was der kleine Vogel ihr sagen will. Immer noch nicht glaubend, dass das hier alles gerade mit ihr passiert, macht sie zögernd einen Schritt auf den Baum zu. Das Rotkehlchen wartet, bis auch Mina vor dem Eingang ins Bauminnere steht. Das Wurzeltor ist grösser, als sie gedacht hat. Ohne sich gross bücken zu müssen, tritt Mina hindurch. Sie dreht sich zum Rotkehlchen um, doch dieses ist nicht mehr zu sehen. «Ok, anscheinend muss ich alleine weiter», ermuntert sie sich selbst und holt sich ihr letztes Erlebnis mit dem Bach in Erinnerung, um sich selbst Mut zu machen. Auch damals war alles merkwürdig gewesen und auch damals hatte sie Angst und zweifelte an ihrem Verstand. Doch schlussendlich siegte ihre Neugier und sie folgte ihrem Impuls. Und auch wenn sie die Reise mit dem Bach nun lange als Unfug und Traum abgetan hatte, so hat es sie doch immer wieder zum Wald und zum Wasser zurückgeführt und ihr dadurch einen Rückzugs- und Heilungsort geschenkt. Also vertraut sie auch jetzt ihrer inneren Stimme, die ihr in Form dieses Rotkehlchens den Weg ins Innere der Eiche gezeigt hat. Noch einmal holt Mina tief Luft und tritt dann ein.


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